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Dauerkämpfe

Feministische Zeitdiagnosen und Strategien, Politik der Geschlechterverhältnisse 59

Erschienen am 05.10.2017, 1. Auflage 2017
34,95 €
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783593508047
Sprache: Deutsch
Umfang: 310 S.
Format (T/L/B): 2 x 21.3 x 14 cm
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

In Zeiten, die sich durch eine »postfeministische« Konstellation und zunehmenden Antifeminismus auszeichnen, verweist der Band auf vielfältige Räume und Praxen feministischer (Dauer-)Kämpfe. Die Autor*innen diskutieren geschlechterpolitische Kontinuitäten, Brüche und Widersprüchlichkeiten im Kontext der multiplen Krise und der Autoritarisierung von Staat und Gesellschaft. Ebenso werden feministische Strategien gegen Unterdrückung, Ungleichheit und Gewalt sowie Suchbewegungen für eine andere gesellschaftliche Ordnung aufgezeigt. So zeichnet der Band ein facettenreiches Bild feministischer Gegenwartsdiagnosen.

Autorenportrait

Brigitte Bargetz ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich »Politische Theorie, Ideengeschichte und Politische Kultur« am Institut für Sozialwissenschaften der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Eva Kreisky, Prof. Dr., lehrte Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Politik der Geschlechterverhältnisse unter anderem an der Universität Wien. Gundula Ludwig ist Professorin für Sozialwissenschaftliche Theorien der Geschlechterverhältnisse und Leiterin des Center Interdisziplinäre Geschlechterforschung Innsbruck an der Universität Innsbruck. Ihre Forschungsschwerpunkte sind queer-feministische Staats- und Demokratietheorie, Theorien der Subjektivierung, Körper- und Biopolitik, Gewalt und Geschlecht. Sie ist Redakteurin der Zeitschrift »Femina Politica« und Vorstandsmitglied der Österreichischen Gesellschaft für Geschlechterforschung.

Leseprobe

Ich habe das Gefühl, ich befinde mich in einem Dauerkampf - Feministische Zeitdiagnosen und Strategien Brigitte Bargetz/Eva Kreisky/Gundula Ludwig Zu Beginn des Jahres 2017 eine Einleitung zu einem Band über feministische Zeitdiagnosen, Strategien und Kämpfe zu schreiben und diese nicht mit der Wahl von Donald Trump beginnen zu lassen, fällt angesichts der Unfassbarkeit, dass jemand mit derartig unverhohlenem Sexismus und Rassismus zum Präsidenten der USA gewählt wurde, schwer. Ebenso schwer fällt es allerdings, nicht genauso schnell die zahlreichen und eindrucksvollen Bilder, Statements und Reden des Women's March zu erinnern, zu dem sich Anfang Januar 2017 global mehr als drei Millionen Menschen versammelten, um gegen Unterdrückung, Ungleichheit, Gewalt und für eine andere gesellschaftliche Ordnung einzutreten - und daher trotz (hetero-)sexistischen und rassistischen Gegenwindes feministisch-kämpferisch zu bleiben. So betonte auch Angela Davis (2017) in ihrer Rede in Washington DC: "[L]et us remind ourselves that we the hundreds of thousands, the millions of women, trans people, men and youth who are here at the Women's March, we represent the powerful forces of change that are determined to prevent the dying cultures of racism, hetero-patriarchy from rising again." Diese Gleichzeitigkeit von sexistischem, rassistischem Backlash und feministischem, antirassistischem Aufbruch findet globalen Widerhall: Einerseits lassen sich gegenwärtig im Kontext der Autoritarisierung des Neoliberalismus weltweit Tendenzen der Remaskulinisierung des Politischen und des Staates, die Zunahme (hetero-)sexistischer Politiken und Diskurse sowie das Um-Sich-Greifen von Anti-Genderismus wahrnehmen: In Polen legte die Partei Prawo i Sprawiedliwo?? (PiS) im Herbst 2016 einen Gesetzesentwurf vor, der Abtreibung beinahe komplett und selbst im Falle der Schwangerschaft nach einer Vergewaltigung verbieten sollte; in Russland gilt häusliche Gewalt seit Februar 2017 nicht mehr als Körperverletzung, sondern als Fehlverhalten, das lediglich als Ordnungswidrigkeit geahndet werden kann; in der Türkei geht mit der gegenwärtigen Repressions- und Verhaftungswelle im Rahmen des von Präsident Recep Tayyip Erdo?an nach dem Putschversuch im Sommer 2016 verhängten Ausnahmezustands auch ein Anstieg sexualisierter Gewalt von Frauen* in (Untersuchungs-)Haft einher; weltweit sind Frauen* und LGBTIQ in Flüchtlingslagern der Gefahr sexualisierter Gewalt ausgesetzt; in Deutschland wettert die Alternative für Deutschland (AfD) beständig gegen den Gender-Wahnsinn, der angeblich Gegenstand der Gender Studies sei; und in Österreich wäre beinahe ein Mann Bundespräsident geworden, der noch 2016 versucht hatte, das Recht von Frauen* auf Abtreibungen zu beschneiden, um zu verhindern - wie im Handbuch freiheitlicher Politik der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) nachzulesen ist -, dass der Uterus jener Ort Österreichs mit der höchsten Sterbewahrscheinlichkeit bleibe. Und die Liste der Beispiele ließe sich fortsetzen. Andererseits gelang es polnischen Feminist*innen durch eindrucksvolle Proteste, das geplante Abtreibungsverbot zu verhindern; in der Türkei reagierten Feminist*innen auf die im Rahmen des Ausnahmezustands verhängte Schließung der kurdisch-türkischen Nachrichtenagentur JINHA, die ausschließlich von Frauen* betrieben wurde, mit der Neugründung des Nachrichtenportals SUJIN; um gegen Gewalt an Frauen zu protestieren und einen Krisenstab gegen geschlechtsspezifische Gewalt zu fordern, hielten Frauen* im März 2017 auf der Puerta del Sol in Madrid einen Hungerstreik ab; generell wurde zum diesjährigen internationalen Frauentag zu einem weltweiten Frauen*streik aufgerufen, der nicht zuletzt von der südamerikanischen Bewegung gegen Gewalt an Frauen* Ni Una Menos inspiriert war; in Wien versammelten sich im Februar 2017 Frauen*, um gegen das von der Regierung vorgeschlagene Burka-Verbot im öffentlichen Raum einzutreten; und gegen rechte Politiken geht in Österreich unter anderem die feministische Burschenschaft Hysteria mit ironischen und subversiven Aktionen vor. Auch diese Liste ließe sich fortsetzen. Ein feministischer Blick auf gegenwärtige gesellschaftliche Verhältnisse und Kämpfe zeigt mithin, dass den Gender Studies als einer Wissenschaft zur Analyse und Kritik ungleicher Geschlechterverhältnisse und als einer Plattform, um über emanzipatorische Subjekt-, Beziehungs- und Gesellschaftsformen nachzudenken, der Stoff so schnell nicht ausgeht. Daran ändert auch der gegenwärtige Anti-Genderismus rechter und konservativer Strömungen nichts, der sich unter anderem gegen Gender Studies richtet. Alte Themen und die Kritik daran bleiben - wenngleich unter veränderten Vorzeichen - aktuell: die Maskulinisierung von Politik, Staat und Ökonomie, der vergeschlechtlichte Subtext gesellschaftlicher Arbeitsteilung, von Sorgeverhältnissen und der Verteilung gesellschaftlichen Reichtums, die heterosexistische Grenzziehung zwischen Öffentlichkeit und Privatheit, die androzentrische Ausgestaltung von Rechten und Partizipationsmöglichkeiten, die vergeschlechtlichte Ungleichheit, über Körper, Sexualität und Reproduktion bestimmen zu können, die Bedeutung von heterosexistischen Familienkonstruktionen für (National-)Staatlichkeit und nicht zuletzt androzentrische Definitionsweisen, was überhaupt als gesellschaftlich anerkennbares und anerkanntes Wissen gilt. Ebenso virulent bleibt die Frage, wie unter anhaltenden Ungleichheitsverhältnissen feministische Kritik und feministisches Handeln imaginiert, konzipiert und gelebt werden können: Setzt feministische Kritik an Strukturen oder an Mikropraxen an - oder wie am besten an beiden zugleich? Begründen sich feministische Strategien im Konsens oder im Konflikt? Wie können Bündnisse geschlossen werden und wo liegen deren Grenzen? Wie viel jenseits von androzentrischen Institutionen wie dem Staat oder der Universität ist für feministischen Widerstand erforderlich? Wie sich der Macht entziehen, die zugleich immer auch Verführungen bereithält, um Zustimmung zu Ungleichheitsverhältnissen zu organisieren? Dauerkämpfe hier und dort Was sich aus feministischer Perspektive gegenwärtig also abzeichnet, ist, um es im Anschluss an Birgit Sauer (Mesquita/Sauer 2015) zu formulieren, ein "Dauerkampf" angesichts der nach wie vor vorherrschenden (hetero-)sexistischen und androzentrischen Verhältnisse, die vielfältig und in Verschränkung mit anderen Herrschaftsverhältnissen unsere Gegenwartsgesellschaften prägen. Einen Dauerkampf erkennt Birgit Sauer allerdings ebenso - und vermutlich auch aus diesen Gründen - in Bezug auf ihren eigenen feministisch-politikwissenschaftlichen Weg, wie sie in einem Interview 2015 anmerkte: "Ich habe das Gefühl, ich befinde mich in einem Dauerkampf." (Ebd.) Für die feministische Politikwissenschaft stellt dieser Dauerkampf von Birgit Sauer seit den 1990er Jahren zahlreiche und überaus vielfältige Anregungen für feministische Zeitdiagnosen, Analysen, Theoretisierungen und Strategien bereit. Suchbewegungen nach alternativen Formen, Wissen zu generieren und vermeintlich Selbstverständliches anders zu denken, durchziehen ihre theoretischen wie empirischen Arbeiten. Denn politische und gesellschaftliche Veränderung setzt voraus, sich von jenen androzentrischen Definitionen von und Perspektiven auf Geschlecht und Geschlechterverhältnisse(n) sowie Ungleichheit, Gewalt, Ausbeutung, Arbeit und Politik zu befreien, wie sie im Malestream an Universitäten und Forschungseinrichtungen ebenso wie in weiten Teilen von Politik, Recht, Öffentlichkeit, Ökonomie, Kultur, Medien oder Medizin als objektive Wahrheiten bereitgestellt werden (z.?B. Kreisky/Sauer 1995b; Flicker/Sauer 2015; Sauer 2005). Grundlegend für Sauers Arbeiten war von jeher die Zurückweisung der vermeintlich naturgegebenen androzentrischen Trennung von Öffentlichkeit und Privatheit. Sauer spricht stattdessen von einem "liberale[n] Trennungsdispositiv" (Sauer 2001: 184), das als fundamentales Reguli...

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